Auf dem Planeten Gethen, am Rande unserer Galaxis, gibt es Wahrsager bzw. Wahrsagerinnen bzw. beides – denn die Menschen auf Gethen haben kein Geschlecht – die, für einen stolzen Preis Fragen über die Zukunft beantworten können. In Wahrheit jedoch haben sie eine Religion, die das Unwissen feiert. Warum, das erklärt eine/einer von ihnen names Faxe dem Besucher Genry vom Planeten Erde so: „Das Leben“, erklang Faxes weiche Stimme, „basiert auf dem Unbekannten, dem Unvorhergesehenen, dem Unbewiesenen. Unwissen ist die Grundlage allen Denkens. Unbewiesenheit ist die Voraussetzung der Tat. Wenn es bewiesen wäre, dass es keinen Gott gibt, dann gäbe es auch keine Religion. Doch wenn es wiederum bewiesen wäre, dass es einen Gott gibt, dann gäbe es ebenfalls keine Religion... Sagen Sie mir, Genry: Was ist bekannt? Was ist gewiss, vorhersagbar, unvermeidbar ... die einzige Tatsache, die Ihre Zukunft – und die meine – betrifft, und die wir mit Bestimmtheit wissen?“ – „Dass wir sterben müssen.“ – „Sehen Sie? Es gibt also in Wirklichkeit nur eine einzige Frage, die beantwortet werden kann, Genry, und die Antwort darauf kennen wir bereits ... Das einzige, was das Leben überhaupt ermöglicht, ist die ständige, unerträgliche Ungewissheit: ist, nicht zu wissen, was als nächstes geschieht“.
Diese Passage aus dem Roman “Winterplanet” von Ursula K. Le Guin, einem Science Fiction-Roman aus dem Jahr 1967, habe ich vorgelesen, weil mir daran kürzlich etwas aufgegangen ist. Nämlich dass diese eigentlich ja banale Einsicht, dass nämlich die Zukunft offen ist und ungewiss, heute allzu oft ignoriert wird. Ich habe manchmal den Eindruck, dass uns die Grundlage dafür verloren gegangen ist, wie wir handeln, warum wir überhaupt handeln, was der Sinn des Ganzen ist. Stattdessen ist viel von Mitteln und Techniken die Rede, wie wir etwas erreichen können. Dazu gibt es eine Flut von Ratgeberbüchern und Kursen, die uns die Illusion vermitteln, wir hätten alles im Griff, oder das wäre zumindest weitgehend möglich. Oder aber: Es wird so getan, als sei es das Wichtigste an einer politischen Handlung, möglichst genau vorauszuberechnen, wohin sie führen wird. Denken Sie nur an die derzeitige Finanzpolitik in Deutschland. Da kommen immer schlimmer werdende Prognosen über Steuereinbrüche und konjunkturelle Krisen, was dazu führt, dass letztlich gar nichts mehr getan wird. Aus lauter Angst vor den angeblichen Folgen kann man sich nur noch auf Dinge einigen, zu denen kein Widerspruch zu erwarten ist, wie die Erhöhung der Tabaksteuer. Dabei werden die angeblich objektiven Zukunftsprognosen alle paar Wochen wieder korrigiert. Auch das derzeit sehr in Mode gekommene Gender Mainstreaming ist für mich ein Beispiel für so ein Herangehen. Also diese EU-Richtlinie, wonach alle öffentlichen Entscheidungen daraufhin überprüft werden müssen, was sie jeweils für Folgen für Männer und Frauen haben. Hier wird die Folgenabschätzung also gerade zum Prinzip erklärt.
Ich glaube, das geht an der eigentlich wichtigen Frage vorbei: Was tun angesichts der Tatsache, dass Leben gerade heißt, nicht zu wissen, was als nächstes geschieht? Das Unwissen zu schätzen, diese Offenheit der Zukunft, die sich nicht vorausplanen lässt?
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Dahinter steckt meiner Ansicht nach ein Missverständnis. "Das Neue" wird verstanden als etwas, das Menschen sich ausdenken, um dann Mittel und Wege zu finden, an dieses Ziel zu gelangen. Genauso entsteht aber gerade nichts Neues, weil nämlich diese Ziele, die wir uns ausdenken können, immer schon jetzt in unserer Vorstellungswelt angelegt sein müssen, also in Wahrheit alt sind.
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Was aber können wir tun, wenn unsere Ziele alles andere als klar sind? Weder die persönlichen, noch die gesellschaftlichen oder politischen?
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